Zum neuen Hochschulsemester Anfang Oktober drängen immer mehr Studienanfänger an die deutschen Universitäten, doch auch die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge nimmt deutlich zu. Immer mehr Jugendliche entdecken die Vorteile einer betrieblichen Ausbildung. Sehr gute Ein- und Aufstiegschancen bietet vor allem das Handwerk. Hier können junge Menschen nicht nur ein paar Scheine machen, sondern erleben direkten Praxisbezug, finanzielle Unabhängigkeit und erhalten eine international anerkannte Qualifizierung.
Überfüllte Hörsäle, unpersönliche Betreuung und zu wenig Wohnheimplätze – durch die doppelten Abiturjahrgänge und den Wegfall des Wehrdienstes sind viele Hochschulen überlaufen. Eine echte Alternative dazu bietet eine betriebliche Ausbildung und eine anschließende Meisterfortbildung. Denn es muss kein Master sein, auch mit dem Meisterbrief zählt man in Deutschland zu den Hochqualifizierten. Meister sind auf dem Arbeitsmarkt begehrt und von werden von Unternehmen entsprechend honoriert. Im Interview spricht Dr. Vera Erdmann, Expertin für Berufsausbildung und Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft Köln, über das duale Ausbildungssystem und die Perspektiven für Schulabsolventen.
Frau Dr. Erdmann, im vergangenen Jahr wurden rund 570.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen – 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Warum entscheiden sich so viele Jugendliche für diesen Weg?
Eine Ausbildung ist ideal für junge Menschen, die einen Praxisbezug beim Lernen haben wollen. Das duale System bietet einerseits Theorievermittlung, zugleich aber auch die Anwendung des Gelernten im Unternehmen. Hinzu kommt der Aspekt der finanziellen Unabhängigkeit von den Eltern. Außerdem gewährleistet eine betriebliche Ausbildung einen direkten Einstieg ins Unternehmen und damit in den Arbeitsmarkt. Das ist für Abiturienten ebenso attraktiv wie für Haupt- und Realschulabsolventen oder junge Menschen ohne Abschluss.
Welche Chancen und Möglichkeiten bieten sich nach der Gesellenprüfung? Legt sich ein Auszubildender hier nicht allzu früh fest?
Ganz im Gegenteil. Mit einer betrieblichen Ausbildung öffnen sich alle Türen. Zum einen sind die Aufstiegschancen hervorragend: Gerade im Handwerk gibt es in praktisch allen Berufsgruppen die Möglichkeit, eine Meisterfortbildung zu machen – eine Chance, die überproportional häufig wahrgenommen wird. Aber auch der Weg an die Hochschule ist frei: Wer eine Ausbildung und Berufserfahrung hat, kann auch ohne Abitur studieren. Manchmal werden sogar Leistungen auf das Studium angerechnet.
Kann sich eine Ausbildung im Vergleich zum Studium auch finanziell auszahlen?
Im Schnitt verdienen Akademiker mehr, doch eine Ausbildung lohnt sich. Die Bildungsrendite – ein Wert, der angibt, wie sich die Investition einer Bildungsmaßnahme auszahlt – liegt bei einer Ausbildung mit anschließender Meisterprüfung höher als bei Akademikern. Zudem geht man als qualifizierter Handwerker beim Einkommen auf Nummer sicher. Während unter Akademikern die Kluft zwischen Gering- und Gutverdienern sehr groß ist, kann ein Meister mit einem Jahreseinkommen von etwa 33.800 bis 47.500 Euro rechnen. Damit steht er im Schnitt finanziell besser dar als rund ein Viertel der Hochschulabsolventen. Sicher ist auch der Job: Die Arbeitslosenquote unter Meistern ist – mit 2,9 Prozent bei den Männern und 3,7 Prozent bei den Frauen – niedriger als die von Akademikern.
Warum sind Handwerker auf dem Arbeitsmarkt so gefragt?
Durch ihre Ausbildung haben sie spezielles Fachwissen im jeweiligen Beruf. Hinzu kommt die persönliche Entwicklung: Wer eine Ausbildung macht, übernimmt früh Verantwortung. Handwerksmeister sind darauf vorbereitet, später einzelne Bereiche oder sogar ganze Unternehmen zu leiten. Sie sind vielseitig einsetzbar und bringen alles mit, was von einer Führungskraft erwartet wird. Studien zeigen, dass die Kompetenzen, die beruflich Qualifizierte in Deutschland haben, durchaus vergleichbar sind mit den Kompetenzen von Hochqualifizierten in den USA. Kein Wunder, dass der gute Ruf der Handwerksausbildung über die Grenzen Deutschland hinaus reicht und ausländische Unternehmen deutsche Handwerker besonders schätzen.
Quelle: handwerk.de